Kurz vor dem Start von Alexander Gerst gab es eine Pressemeldung der Stiftung KinderHerz zum Interview mit Volker Schmid, dem verantwortlichen DLR-Missionmanager, über Mut in der Raumfahrt – im All und auf der Erde. Diese möchte ich euch nicht vorenthalten.

Volker Schmid ist Raumfahrtingenieur und verantwortlicher DLR-Missionmanager der Mission „Horizons“. Über zwei Jahre lang organisierten er und sein Team für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und im Auftrag der Bundesregierung alle deutschen Inhalte der Mission. Von Bonn aus bereitete er quasi die „to do“-Liste des Astronauten vor. Auch die Flagge der Stiftung KinderHerz fand so den Weg zur ISS. Ohne Volker Schmid und sein Team gäbe es die #MissionMut nicht.
Herr Schmid, Sie bleiben auf der Erde, Alexander Gerst startet ins All. Trotzdem brauchen nicht nur die Astronauten Mut. Erklären Sie uns warum!
Unser Team vom DLR und von der ESA diskutiert während der Vorbereitung die Inhalte und die Vorhaben der Mission. Wir ringen dann mit schonungsloser Offenheit um Experimentierzeiten und Upload-Massen. Das braucht von beiden Seiten Mut zu harten Kompromissen. Den Experimentatoren ist ihre Verantwortung bewusst. Besonders dann, wenn wir mit Projekten technisches und wissenschaftliches Neuland betreten und das Risiko hoch ist. Dazu kommt meist noch eine extrem kurze Laufzeit für die Projekte. Alle sind dann unter Druck, denn es soll ja auf den Punkt fertig werden und funktionieren. Von den Projektpartnern erfordert dies eine hohe Flexibilität, aber solche Herausforderungen spornen uns alle an und lassen uns kreative Lösungen finden. Der Gewinn an neuem Wissen und neuer Erfahrung ist dabei groß. Selten schafft es ein Experiment nicht zur Flugreife. Dann braucht es von allen Seiten Mut, das Projekt von der Liste zu nehmen, ohne zu wissen ob es irgendwann später realisiert werden kann. Bei Konflikten ist dann stets der Missionsmanager gefordert. Ich halte dem Team den Rücken frei. Manchmal gibt es dann „Prügel“ für Dinge die man selbst nicht verursacht hat. Nichts zu tun, ist einfach. Ein Risiko zu tragen, erfordert hingegen Mut.
Müssen Astronauten auch mal mutig sein oder gilt immer die Devise „safety first“?
Der Moment, wenn sich beim Ausstieg zum ersten Mal die Schleuse der ISS öffnet und man nur noch die Erde unter sich sieht, verursacht bei jedem zumindest kurzzeitig ein mulmiges Gefühl und fordert Mut. Der Weltraum kooperiert nicht und ein Fehler kann tödlich sein. Im Notfall muss ein Astronaut innerhalb von Sekunden richtig reagieren können. Riskante Arbeiten, wie zum Beispiel ein Außeneinsatz an der ISS, werden deshalb zahlenmäßig möglichst klein und kompakt gehalten und gut trainiert.
Haben Sie jemals erlebt, dass die psychische Belastung zu hoch war?
Nein. Wesentlicher Teil ihrer Ausbildung ist, dass die Astronauten auf jede Situation angemessen und richtig reagieren können. Außerdem arbeiten sie im Team, haben täglich Ansprache von der Erde und Kontakt zu ihren Familien oder Angehörigen. Sie sind dort oben nicht allein.

In Köln haben wir unsere Flagge in Ihre Obhut übergeben. An gleicher Stelle verabschiedeten Sie Alexander Gerst nach seinem letzten öffentlichen Auftritt.
Fast. Ich sehe ihn vor seinem Start noch einmal durch die Glasscheibe, bedingt durch die Quarantäne in Baikonur. Davon abgesehen mag ich Verabschiedungen nicht so sehr. Alex ist ja auch nur 400 Kilometer über uns.
Hätten Sie den Mut, selbst ins All zu fliegen?
Sofort. Ich bin aber auch mit meinem Job als Raumfahrtmanager extrem zufrieden. Mit unseren Experimenten betreten wir zusammen mit Alexander Gerst wissenschaftliches Neuland. Wir haben heute auf der ISS schon ein bisschen Star Trek. Gemeinsam verschieben wir technische und wissenschaftliche Grenzen zum Wohl der Gesellschaft. Das finde ich prima.
Vielen Dank für das Gespräch!

(Alle deutschen Beiträge zu den Raumstationsprogrammen der ESA werden vom DLR Raumfahrtmanagement in Bonn koordiniert und gesteuert.)
Die #MissionMut 2018:
Unter Hashtag #MissionMut begleitet die Stiftung KinderHerz ihren Aufruf, herzkranken Kindern zur Seite zu stehen und die Kinderherz-Forschung zu unterstützen. In Kooperation mit dem Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn hat die Stiftung KinderHerz am 2. April 2018 eine Flagge zur Internationalen Raumstation (ISS) entsandt. Das von der Kieler Künstlerin Roswitha Steinkopf entworfene Motiv trägt den Titel „Drei Geschichten vom Mut“.
Unter #MissionMut veröffentlicht die Stiftung bis zum Start der Rakete des deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst am 6. Juni 2018 viele Interviews rund um das Thema Mut. Zu Wort kommen u.a. der DLR-Missionsmanager der „Horizons“-Mission, Herzpatienten, Kinderbuchautoren, Psychologen sowie Botschafter der Stiftung KinderHerz.
Mehr Informationen unter www.stiftung-kinderherz.de, www.dlr.de/horizons und auf Facebook www.facebook.com/StiftungKinderHerz.
Weitere Informationen über die Stiftung KinderHerz
Täglich kommen in Deutschland rund 19 Kinder mit einem Herzfehler auf die Welt. Jedes 100. Neugeborene ist betroffen. Für die Eltern ist die Diagnose ein Schicksalsschlag, die nachfolgende Behandlung oft ebenso kraftraubend wie nervenaufreibend. Nicht selten müssen die erst wenige Wochen alten Säuglinge komplizierte Operationen über sich ergehen lassen. Um die medizinische Versorgung der kleinen Patienten kontinuierlich und nachhaltig zu verbessern, fördert die Stiftung KinderHerz Forschungsprojekte an renommierten Kinderherz-Zentren in ganz Deutschland.
Die Stiftung KinderHerz möchte die bestmögliche Versorgung für herzkranke Kinder nachhaltig und zuverlässig unterstützen. Sie fördert Projekte aus allen wesentlichen Gebieten der angeborenen und erworbenen Herzfehler, von der Diagnose und Behandlung über die Prävention bis hin zur Forschung und Entwicklung neuer Heilungsmethoden.
Medizinische Innovationen und starke Netzwerke
Mehr als 50 verschiedene Herzfehler sind bisher medizinisch klassifiziert. Über zwei Drittel der erkrankten Kinder würden ohne Behandlung sterben. Jährlich warten etwa 20 Kinder in Deutschland auf ein Spenderherz.
Mitwachsende Herzklappen, mobile Ultraschall-Untersuchungen, Monitoring der Gehirnfunktion von Kindern während Herzoperationen – die Stiftung KinderHerz unterstützt Kinderherz-Zentren bei zukunftsweisenden Forschungsprojekten oder der Anschaffung innovativer Untersuchungs-Technologien. Manche der geförderten Projekte weisen über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Das ist ein wirklich schönes Interview. Ja, das mit dem Mut ist schon so eine Sache. Eines meiner ersten Bücher, das ich in Blindenschrift geschenkt bekam, hieß „Mut hat viele Gesichter“. Da waren schöne Kindergeschichten über Mut darin. Das waren durchaus keine Heldengeschichten, wie man vielleicht vermuten würde. Oft ging es einfach nur darum, sich zu fragen trauen, mal beherzt einzugreifen oder so. OK, eine Geschichte mit einem brennenden Haus, wo ein Brüderchen sein Schwesterchen rettet, war auch drin, aber bei vielen anderen Geschichten musste man vielleicht erst mal kurz nachdenken, wo der Mut versteckt war. Es war ein schönes Buch. Kann sein, dass es in den Untiefen meines Kellers noch versteckt ist. Dann wäre das Buch jetzt 42 Jahre alt. Ein Buch in Blindenschrift geschenkt zu bekommen, war etwas ganz besonderes. Zum einen gibt es bis heute nur einen Bruchteil aller Literatur für blinde Menschen zugänglich, und zum anderen sind Punktschriftbücher sehr teuer. Die kosten mindestens das zehnfache.
Das glaube ich sehr gerne, dass der Tritt durch die offene Schleuse in das Vakuum beim geschultesten Astronauten Mut erfordert. Da würde auch etwas nicht stimmen, wenn dem nicht so wäre. Man hängt doch an seinem Leben. Mit einem kleinen Adrenalinstoß geht manches eh besser.
Das habe ich bei meinem Tandemsprung aus 4,5 km höhe, ganz besonders erlebt. Ich erlebe es aber auch bei so ganz banalen Dingen wie, wenn ich an einem Bahngleis entlang gehen soll, das keine tastenden Leitlinien am Boden hat, oder wenn ich durch eine laute Baustelle muss.
Was mir an dem Artikel auch sehr gut gefallen hat war, dass Mut auch mal bedeuten kann, dass man abstand von etwas nehmen muss, um zurück zu rudern, um es neu zu versuchen, bzw. um zu warten, bis die Zeit reif dafür ist. Das kommt in der Raumfahrt sicher oft vor.
Da muss man ja dann oft noch Mut gegen die Politik haben, die ja letztlich irgendwie bestimmt, was die Gesellschaft momentan von der Raumfahrt zu wollen hat.
Ich brauche hier jetzt nicht über Sinn und Unsinn mancher Missionen sprechen…
Jeder, der sich mit so etwas befasst, weiß, was ich damit meinen könnte.
Vielen Dank für den Artikel.
Ich bin übrigens noch ganz erfüllt von den Podcasts von @aufdistanz. Hab ich mir am Wochenende alle reingezogen. Sehr empfehlenswert für alle.